Rendite von Versicherungen sinkt 2020 um bis zu 22%

Immer zum Jahresanfang wird die sog. „laufende Verzinsung“ bekannt gegeben. Die Versicherungsgesellschaften legen damit fest, wie viel Ertrag die Kunden für das laufende Jahr erhalten.

Knapp die Hälfte aller Versicherungen senkt die laufenden Erträge auch dieses Jahr wieder ab. Viele die diesmal nicht gesenkt haben, haben das in den Vorjahren bereits getan. Unter den größten Reduzierern sind dieses Jahr auch bekannte Gesellschaften mit einem großen Marktanteil wie die Debeka, die Provinzial Hannover (mit der in der hiesigen Region stark vertretenen VGH), die R+V a.G und die Allianz.


Bis zu 0,5%-Punkte weniger als im Vorjahr werden ausgekehrt, was bedeutet, dass die Rendite um ca. 22% sinkt. 

In allen o.g. Fällen der großen Absenker sinkt der Ertrag um mindestens ca. 10%. Wenn ein Zehntel Ertrag fehlt, fällt das schon auf. Wenn fast ¼ weniger kommt, reißt das ein ziemlich großes Loch in die Altersvorsorge.


Eine Auflistung über die Veränderungen der laufenden Verzinsungen im Vergleich zum Vorjahr haben wir Ihnen hier als PDF zur Verfügung gestellt, damit Sie schauen können, wo Ihre Gesellschaft nun liegt.


Der Trend ist ganz klar: Die laufenden Erträge gehen runter - und das teilweise auch massiv. Das war bereits unsere Prognose seitdem wir Newsletter schreiben (2010). Dafür gibt’s auch gute Gründe auf die ich nun weiter eingehe.

Warum ist dieser Trend bereits seit Jahren absehbar und warum wird er auch weitergehen?

Wir Deutschen sind ein sicherheitsorientiertes Volk und setzen viel auf Lebensversicherung, Rentenversicherung oder auch Pensionskassen. Ca. 20% unseres liquiden Vermögens haben wir als Volk in Versicherungen unterschiedlicher Art investiert.


Die Versicherungen hängen aber wiederum sehr stark davon ab, wie sich Zinsen entwickeln. Denn im Gegensatz zur Annahme vieler findet eine breite Streuung, die den Namen auch verdient hat, gar nicht statt. Die Versicherungen investieren historisch einen großen Teil des Geldes in Zinsanlagen, wie Staats- und Bankanleihen. Teilweise über 90% des Geldes wird dort angelegt.

Historisch gesehen war das ja auch mal eine gute Idee. Um 1990 gab es noch zwischen 8 und 10% Zins für deutsche Staatsanleihen. Bei den damaligen Zinsen hat sich die Anlagestruktur bewährt. Und zwar seit kurz nach dem zweiten Weltkrieg über knapp zwei Generationen hinweg. Das ist natürlich noch tief in den Köpfen verankert.


Aber die Rahmenbedingungen haben sich mittlerweile stark gewandelt und die Situation ist eine völlig andere. Jetzt leben wir in einer dauerhaften Niedrigzinsphase.

Der Grund für diese Prognose, die wir schon lange aufstellen, kann man sich als Kausalkette wie folgt vorstellen:

Wußten wir das ganz sicher? Nein... allerdings war das wenn man da so rangegangen ist und diese Puzzleteile alle zusammen gesetzt hat, schon ziemlich wahrscheinlich. Deshalb hab ich das ja in den Newslettern auch so geschrieben. Ein Beispiel aus 2012, in dem ich auch auf damals sehr interessante Hintergründe eingegangen bin, finden Sie hier.

Doch was ist eigentlich die laufende Verzinsung?

Die laufende Verzinsung ist das, was die Versicherung für das aktuelle Jahr fest zusagt. Dazu sollen noch sog. „Schlußüberschüsse“ und „Bewertungsreserven“ kommen. Die werden oft auch mit aufgeführt. Aber daneben steht regelmäßig ein kleines Sternchen. Und das heißt selten was Gutes bei Versicherungen. 😉


Es handelt sich dabei um zwei Bestandteile, die Versicherungen attraktiver für Kunden machen sollen. Allerdings gibt es einen kleinen Pferdefuß, wie das Sternchen schon vermuten läßt: denn diese beiden Ertragsarten können jedes Jahr neu festgelegt werden und theoretisch auch komplett entfallen. Das ist vertraglich so festgelegt. Es kann also sein, dass Sie ein Jahr VOR der Auszahlung noch eine Prognose mit üppigen oder zumindest auskömmlichen Eurobeträgen bekommen. Und im Jahr der Auszahlung werden diese beiden Bausteine komplett gestrichen. Und zwar rückwirkend. Das wird die Rentabilität des Vertrages deutlich senken. 

Vor ca. 15 Jahren gab es das noch nicht. Da war die laufende Verzinsung einfach der Wert aus Garantie und Überschuß. Und die bis dahin zugesagten Zinsen waren gesichert und garantiert. Rückwirkend wieder wegnehmen war so nicht möglich. Aber das hat sich in den letzen anderthalb Dekaden geändert.

Warum machen Versicherungen das?

Eine Antwort könnte sein, dass aus den Schlussüberschüssen und den Bewertungsreserven von den Versicherungen wieder Geld entnommen werden kann, um Löcher in der Bilanz zu füllen. Früher, als nur die „normalen“ Überschüsse und Garantien ausgewiesen wurden, ging das noch nicht. Da konnte nichts weggenommen werden. Allenfalls konnte man die Überschüsse FÜR DIE ZUKUNFT ändern. Aber was bis dahin im Vertrag war, war in Stein gemeißelt.


Die Versicherungsgesellschaften werden sich vermutlich etwas dabei gedacht haben diese Bausteine einzubauen und dafür die festgelegten Überschüsse zu senken.

Die Bafin sieht große Probleme bei den Pensionskassen und sorgt sich um Betriebsrentner. Frank Grund, Chefaufseher der Versicherungen bei der BaFin, warnte davor, dass bei weiteren Kassen die Leistung gekürzt werden könnten. Den kompletten Artikel vom (Den kompletten Artikel können Sie hier nachlesen: BaFin erwartet, dass weitere Pensionskassen Renten kürzen müssen).

Frank Grund (Bild: Schmidt-Kasparek)

Frank Grund (Bild: Schmidt-Kasparek) von Versicherungsjournal

Was passiert, wenn der laufende Überschuss unter den Garantiezins sinkt?

Bei vielen Verträgen sind die Ertragsversprechen bereits auf dem Niveau der Garantie angekommen. Die Überschussversprechen sind also quasi auf dem Boden der Tatsachen „aufgeklatscht“. Was passiert nun weiterhin, wenn die Zinsen sinken?


Wenn Sie einen Vertrag mit einem Garantiezins von z.B. 2,75% haben und die laufende Verzinsung bei 2% liegt, dann muss die Versicherung Ihnen als Kunde trotzdem die Garantie zahlen. Solange sie das eben kann. Letztlich wird dann Ihr Vertrag ab jetzt gesponsert, was nicht selten durch die Verwendung von Reserven geschieht.

Und was ist, wenn die Gesellschaft das nicht mehr kann? Wenn die Reserven verbraucht sind? Naja dann gibt es theoretisch den Sicherungsfonds Protektor. Aber der hat kaum Geld im Vergleich zu dem wofür er gerade stehen soll. Er kann also das strukturelle Problem der dauerhaften Niedrigzinsen seit Jahren gar nicht abfedern. Was passiert dann? Der nächste Schritt dürfte das sein, was grad bei der Deutschen Steuerberaterversicherung, der neue leben, Caritas oder auch der Kölner Pensionskasse passiert ist: es dürften dann regelmäßig auch die Garantien gesenkt werden.

Mit einem Blick in die Jahresabschlüsse einiger Versicherungen ist das gar nicht unwahrscheinlich. Denn der Puffer wird immer kleiner. Und einige Versicherungsgesellschaften räumen in den Textpassagen ihrer eigenen Bilanzen selbst schon ein, dass die anhaltenden Niedrigzinsphase ein Risiko für die Garantieversprechen darstellt.


Die Verträge mit hohen Garantieversprechen wurden für Jahrzehnte geschlossen und müssen natürlich bedient werden.


Früher war das ein gutes Geschäft. Da konnte man den Garantiezins erreichen und darüber hinaus ordentliche Überschüsse rausgeben und selbst auch Ertrag für die Gesellschaft abzweigen. Mittlerweile ist das deutlich schwieriger und es werden regelmäßig Reserven verbraucht um die alten Garantien zu bedienen.

"Wir gehen davon aus, dass die betroffenen Versicherer ihre Garantieverpflichtungen nicht mehr erfüllen können", sagte Versicherungsmathematiker und Vorstandssprecher der Bund der Versicherten (BdV tritt für Verbraucher ein) Axel Kleinlein. Den ganzen Artikel können Sie im manager magazin nachlesen. 

Axel Kleinlein (Archivbild: Achenbach) von VersicherungsJournal 

Welche Lösungswege gibt es?

Jetzt ist die Frage, wie geht man damit um und wie regelt man Altersvorsorge für sich selbst und auch im Betrieb für die Arbeitnehmer besser. Bei der betrieblichen Altersvorsorge kommt ja noch das Haftungspotential für die Arbeitnehmer hinzu. Altersvorsorgesparer haben drei Möglichkeiten:


  1. Viel mehr sparen. Das macht die Altersvorsorge aber teurer und es ist die Frage, ob das sinnvoll ist.

  2. Umdenken in der Kapitalanlage - nicht mehr auf Lebensversicherungen setzen, sondern nach alternative Anlagen Ausschau halten

  3. Nichts machen. Prinzipiell möglich, doch dann ist auch kein Geld für die Rente später da. Auf die gesetzliche Rentenversicherung allein würde ich mich nicht stützen wollen...


Bei der betrieblichen Altersvorsorge wird es für manche Firmen heikel. Denn schließlich wird die Garantie im Zweifel eben von der eigenen Firma zu erfüllen sein, wenn die Versicherung die Versprechungen nicht mehr erreicht.


Kurze Geschichte dazu:

Im Jahr 2016 hatte ich ein Gespräch bei einem mittelständischen Unternehmen in Bremen. Dem Geschäftsführer habe ich gesagt, dass die betriebliche Altersvorsorge ein Problem darstellt, weil es der Versicherung einfach nicht mehr gut geht. Im Jahresabschluss der betroffenen Versicherung wurde das schon deutlich. Kurz danach hat die Versicherung die Garantien gesenkt.


Auch hier gab es drei Lösungsansätze:


  1. Nichts tun und darauf hoffen, dass die Arbeitnehmer das nicht merken. Das ist aber weder gradlinig, noch ein Weg der noch lange hält. Viele Verbraucherschutzorganisationen weisen auf das Haftungspotential schon hin. Also muss man die Differenz später selbst auffüllen als Firma.

  2. Aktiv werden und ein „Kellermodell“ bauen. Also den Arbeitnehmern eine bAV anbieten, die so schlecht ist, das keiner die haben will.

  3. Aktiv werden und (möglichst schon frühzeitig) eine bAV anbieten, die für beide Seiten gut ist. Die dem Arbeitnehmer bei der Altersvorsorge hilft und dem Arbeitgeber auch Sicherheit bietet.


Sie als Arbeitgeber dürfen entschieden, welche Verträge bespart werden. Wenn Sie feststellen, dass der alte Vertrag mit der Versicherung X unrentabel ist und Ihnen Haftungsprobleme bringt, dürfen Sie entscheiden ab sofort mit der Versicherung Z zusammenzuarbeiten. Der Arbeitnehmer hat immer noch die Wahl, den alten Vertrag zu kündigen, privat weiter zu besparen oder beitragsfrei zu stellen. Es soll zukünftig auch arbeitsrechtlich gehen, das Kapital im laufenden Dienstverhältnis auf den neuen Vertrag zu übertragen.


Dies spart nicht nur eine Menge Rückstellungen und Haftungspotenzial, sondern auch den Mitarbeitern bringt es eine ertragreichere Rente. Für beiden Seiten eine Win-Win-Situation.

Worauf sollten Sie bei der Auswahl der Versicherung achten?

Die großen Institutionelle Anleger wie die Uni Yale, die Hertie-Stiftung oder auch der Norwegische Staatsfonds machen es vor. Keiner von denen investiert aktuell so wie es die Lebens- und auch Rentenversicherungen es tun. 

Der Norwegische Staatsfonds verwaltet fast 1 Billion Dollar. Da kann man sich die Frage stellen, warum die Staatsanleihen schon 2012 aus Ihrem Portfolio rausgenommen haben, zugunsten von Aktien. 

Yale University​​​​

Norwegische Staatsfonds

Hertie Stiftung

Für Arbeitgeber ein ganz klarer Tipp:

Werfen Sie einen Blick in die Jahresabschlüsse Ihrer Versicherung. Gerade wenn Sie betriebliche Altersvorsorge in Ihrem Unternehmen anbieten, kann das teuer werden. Falls Sie Fragen dazu haben, können Sie sich gerne an uns wenden. 


Und was wenn der Zins steigt?

Selbst wenn die Zinsen steigen würden, was nicht so schnell passiert, würde das oft nicht helfen. Da sich die Versicherungen sehr langfristig mit Zinsanlagen eingedeckt haben, werden die einfach weiterhin niedrige Zinsen erhalten. 


Und verkaufen und neu anlegen geht nicht. Denn wenn ich eine Zinsanlage für die nächsten 20 Jahre mit 1% Zins habe, hilft mir das auch nicht, wenn der Zins morgen bei 3% liegen würde. Ich habe mein Geld schon investiert. Die Anleihe mit 1% Verzinsung kauft mir kein anderer Anleger ab. Warum? Jeder der neu Geld investieren möchte bekommt ja jetzt 3%. Warum sollte man mir also meine alte Anleihe mit 1% Zins abnehmen?


Interessant ist, dass die Überschüsse für Indexpolicen auch in vielen Fällen stark sinken. Warum ist denn das so? „Indexpolice“ suggeriert ja, dass sie am Aktienmarkt geknüpft ist. Sollte man da nicht eigentlich von den guten Börsen in den letzten Jahren profitieren?

Aber das ist uns einen eigenen Artikel wert. Spannend ist es jedenfalls. Darauf gehen wir aber ein andermal ein.